Schwerbehindertenschutz im Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Ziel des Schwerbehindertenschutzes ist es, Schwerbehinderten die Eingliederung in das Arbeitsleben zu erleichtern und dieser Gruppe Arbeitsplätze zu verschaffen, die sie ansonsten aufgrund ihrer Behinderung(en) in Konkurrenz mit gesunden Arbeitnehmern nicht erhalten würden.

Grundlage des Schwerbehindertenschutzes sind die Bestimmungen des SGB IX. Der Schutz vor Benachteiligung wird durch eine bewusste Bevorzugung gegenüber anderen Arbeitnehmern umgesetzt.

Der Schutz greift ein, wenn der Grad der Behinderung (GdB) mindestens 50 beträgt. Behinderte mit einem Grad der Behinderung über 30 müssen nicht, sollen jedoch gleichgestellt werden. Schwerbehinderte haben Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis.

Feststellung der Behinderung

Gesetzlich sind Menschen mit Behinderung wie folgt definiert:

 „Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.“

Die behördliche Feststellung der Behinderung wird nach „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ getroffen, bei der auch der Grad der Behinderung festgestellt wird, der in Zehnerschritten von 10 bis 100 angegeben wird. Die Feststellung kann unbefristet aber auch befristet erfolgen.

Der arbeitsrechtliche Schwerbehindertenschutz kann u.U. vollständigen entzogen werden, beispielsweise bei einer mangelnden Mitwirkung des schwerbehinderten Arbeitnehmers an Rehabilitationsmaßnahmen oder Versuchen der Eingliederung in das Berufsleben.

Was ist beim Grad der Behinderung zu beachten?

Ab einem Grad der Behinderung von 50 gilt der Betroffene nach SGB IX als schwerbehinderter Mensch. Schwerbehinderte Menschen müssen sich im Bundesgebiet aufhalten oder im Bundesgebiet einer Beschäftigung als Arbeitnehmer nachgehen. Auch Menschen mit einer anderen Staatsangehörigkeit können eine Schwerbehinderung beantragen.

Menschen, deren Grad der Behinderung unterhalb von 50 liegt, gelten nicht als schwerbehindert und können den arbeitsrechtlichen Schwerbehindertenschutz nicht in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Ab einem GdB von 30 kann jedoch eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderen beantragt werden. Eine automatische Gleichstellung erfolgt nicht.

Muss ein Betrieb Schwerbehinderte einstellen?

Betriebe mit mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen Schwerbehinderte einstellen. Der Arbeitgeber hat in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob er einen freien Arbeitsplatz mit einem Schwerbehinderten besetzen kann (§ 71 Abs. 1 SGB IX). Generell müssen auf 5 % der Jahresarbeitsplätze Schwerbehinderte beschäftigt werden. Sich bei der Berechnung ergebende Bruchteile von 0,5 sind gemäß § 74 Abs. 2 SGB IX aufzurunden.

Genügt ein Arbeitgeber dieser Einstellungspflicht nicht, weil keine geeigneten Bewerber vorhanden sind, so muss er eine Ausgleichsabgabe an einen Ausgleichsfond bezahlen.

Detaillierte Informationen zur Quotenregelung finden Sie hier: Pflichtquote für die Beschäftigung Schwerbehinderter.

Welche Schutzrechte haben Schwerbehinderte?

Schwerbehinderte sowie Gleichgestellte sind vom Arbeitgeber so zu beschäftigen, dass sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse optimal einsetzen und verwerten sowie weiterentwickeln können. Andernfalls hat der Schwerbehinderte einen Schadensersatzanspruch.

Menschen mit Behinderungen haben einen Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz. Bei schwerbehinderten Beschäftigten ist außerdem ein Präventionsmanagement durchzuführen.

Schwerbehinderte haben weiterhin Anspruch auf einen bezahlten Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen bei einer Fünftagearbeitswoche. Der Anspruch erhöht bzw. verringert sich, wenn eine abweichende Anzahl von Arbeitstagen pro Woche bestehen sollte. Dieser Anspruch besteht nicht bei Gleichgestellten.

Schwerbehinderte müssen so entlohnt werden wie gesunde Arbeitnehmer. Sie haben das Recht, Mehrarbeit zu leisten, sind aber nicht dazu verpflichtet, sondern werden auf Verlangen hiervon freigestellt. Es genügt der Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft bzw. der Gleichstellung.

Die Arbeitgeber müssen die Einrichtung von Teilzeitarbeitsstellen für Schwerbehinderte fördern.

Besteht ein Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate, so ist die ordentliche oder außerordentliche Kündigung nur mit Zustimmung des Integrationsamtes zulässig (§ 90 SGB IX). Dies gilt auch für Arbeitnehmer in Kleinbetrieben, auf die das KSchG nicht anwendbar ist. Die Kündigungsfrist wird auf mindestens 4 Wochen verlängert (§ 86 SGB IX).

Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist unwirksam.

In den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses kann das Arbeitsverhältnis dagegen ohne Angabe eines Grundes gekündigt werden. Mit dieser Kündigungsmöglichkeit hat die ebenfalls bestehende Möglichkeit der Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Irrtums oder wegen arglistiger Täuschung über die Schwerbehinderteneigenschaft ihre praktische Bedeutung verloren.

Bei Verstößen gegen die aufgezeigten Schutzrechte seitens des Arbeitgebers greifen Strafbestimmungen ein.

Offenlegung der Schwerbehinderung während des Arbeitsverhältnisses

Legt ein schwerbehinderter Arbeitnehmer seine Schwerbehinderteneigenschaft nicht gegenüber dem Arbeitgeber offen, so kann der Arbeitnehmer seine Schutzrechte nicht gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen, sondern wird wie ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer behandelt. Dies betrifft z.B. die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen.

Auch dann, wenn der Arbeitgeber zulässigerweise nach der Schwerbehinderteneigenschaft fragt und der Arbeitnehmer dies falsch beantwortet, kann dieser später keine Schutzrechte geltend machen, da es sich ansonsten um ein widersprüchliches Verhalten handeln würde, wenn er sich später auf ebensolche Schutzrechte berufen würde (BAG, 16.02.2012 – Az: 6 AZR 553/10).

Fragt der Arbeitgeber nicht nach der Schwerbehinderteneigenschaft, so muss dies nicht ungefragt offenlegen. In diesem Fall kann auch noch beispielsweise nach Erhalt einer Kündigung innerhalb der Dreiwochenfrist die Information über die Schwerbehinderung erfolgen und sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes berufen.

Offenlegung der Schwerbehinderung vor Aufnahme des Arbeitsverhältnisses

Im Rahmen des Anbahnungsverhältnisses kann der Arbeitgeber nicht nach einer Schwerbehinderung fragen. Tut er dies dennoch, muss der Bewerber nicht wahrheitsgemäß antworten. Die Frage wäre eine unzulässige Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Gleichwohl darf der Arbeitgeber danach fragen, ob der Arbeitnehmer für die konkrete Tätigkeit geeignet ist. Die Frage muss aber strikt tätigkeitsbezogen bleiben. Eine solche Frage ist wahrheitsgemäß zu beantworten.

Letzte Änderung: 15.09.2023

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